Die GESCHICHTE DER Magna Carta - VON KÖNIG HEINRICH II. BIS KÖNIG JOHANN OHNELAND

Im Jahr 1215 trafen sich auf einem Gelände am Südufer der Themse, fünf Kilometer von Windsor entfernt, in Runnymede, der damalige König Johann I., auch genannt Johann Ohneland, und die ihm untergebenen englischen Barone - mächtige Adlige und Landbesitzer, die über beträchtlichen Einfluss und politische Macht verfügten. Ziel dieses Zusammentreffens war die Unterzeichnung eines der wichtigsten Dokumente der englischen Geschichte durch den englischen König. Die Rede ist von der Magna Carta. Sie schränkte die bisherige beinahe absolute Macht des Königs ein und gewährleistete den Schutz der Rechte der Barone und freien Männer. Und sie hatte weitreichende Folgen für die Geschichte. Wie kam es zu diesem so wichtigen Ereignis? Wer war Johann Ohneland? Und was genau ist die Magna Carta?

Die Geschichte der Magna Carta England Großbritannien Von Heinrich II. bis König Johann Ohneland
Salisbury Cathedral in Salisbury, Wiltshire: Sie beherbergt eines der noch vier erhaltenen Exemplare der Magna Carta.

DIE GESCHICHTE DER MAGNA CARTA - VON KÖNIG HEINRICH II. BIS KÖNIG JOHANN OHNELAND: WER WAR KÖNIG JOHANN OHNELAND?

Im Jahr 1215 hatte König Johann I., auch genannt König Johann Ohneland bzw. im Englischen John Lackland, den englischen Thron inne. Er war der jüngste Sohn von König Heinrich II. und Eleonore von Aquitanien. König Heinrich II. von England, der von 1154 bis 1189 England regierte, war der Sohn von Gottfried V., dem Grafen von Anjou und Begründer des Hauses Plantagenet, sowie von Matilda von England, der Tochter von König Heinrich I. von England. Heinrich II. selbst herrschte durch seinen Vater über die Grafschaft Anjou und seit 1150 auch über die Normandie. Durch seine Mutter fiel außerdem der englische Thron an ihn. Er war somit der erste König des Hauses Plantagenet auf dem englischen Thron.

 

Eleonore von Aquitanien wiederum war die Tochter von Herzog Wilhelm X. von Aquitanien und hatte durch ihren Vater ein riesiges Gebiet im Südwesten Frankreichs geerbt. Das Gebiet wird heute insgesamt als Angevinisches Reich bezeichnet.  Durch ihre Herrschaft mit König Heinrich II. von England wurde sie gleichzeitig auch Königin von England. Sie gehörte zu jenen Königinnen, die eine große Rolle in der Politik spielten, denn sie mischte gehörig mit und war nach dem Tode von Heinrich II., als ihr Sohn Richard Löwenherz in den Dritten Kreuzzug zog, Regentin des Landes. Auch unterstützte sie ihre Söhne, als diese gegen Heinrich II. rebellierten. Schließlich ließ Heinrich II. sie sogar inhaftieren. Erst nach seinem Tod im Jahr 1189 wurde sie von ihrem Lieblingssohn – so zumindest will es die Geschichte – Richard Löwenherz aus der Haft befreit.

 

König Johann I. gehörte also zum Hause Plantagenet, einem Königshaus, das zwischen 1154 und 1399 über England herrschte. Doch eben nicht nur in England saßen sie an der Macht. Auch als Herzöge gehörten also mit dem Angevinischen Reich weite Teile Frankreichs zu ihrem Herrschaftsbereich. Und genau das war nicht nur Segen für die Königsdynastie, wie die Geschichte zeigen sollte.

 

Doch lass uns zunächst erst einmal der Frage nachgehen, weshalb Johann I. König von England wurde. Schließlich war er der jüngste Sohn Heinrichs II. und auch im England der damaligen Zeit wurde der Thron immer an den ältesten Sohn vererbt. Nun, die Antwort ist ganz einfach darin zu finden, dass die älteren Brüder Johanns nacheinander starben. Der älteste Sohn Wilhelm starb bereits als Kind, während der zweitälteste Sohn Heinrich 1183 mit nur 28 Jahren starb, gefolgt von Richard Löwenherz, der im Alter von 41 Jahren im Jahr 1199 starb. Somit fiel in dem gleichen Jahr nun das Zepter an Johann, den viertjüngsten Sohn, der es bis 1216 halten sollte. Als jüngster Sohn hatte er auch keine bedeutenden Ländereien nach dem Tod seines Vaters geerbt, während seine Brüder große Gebiete in Frankreich erhielten. Für Johann änderte sich das jedoch mit dem Tod seiner Brüder.

 

Nichtsdestotrotz hat die Geschichtsschreibung Johann später den Beinnamen „Ohneland“ gegeben, mit dem er wohl unter seinen Zeitgenossen noch nicht bedacht wurde. Dieser Beiname steht vielmehr auch für die Schwäche Johanns, der militärisch und politisch erfolglos war und zahlreiche Niederlagen einstecken musste, ja beinahe das gesamte französische Gebiet der Plantagenets verlor.


DIE GESCHICHTE DER MAGNA CARTA - VON KÖNIG HEINRICH II. BIS KÖNIG JOHANN OHNELAND: KÖNIG JOHANN OHNELAND AUF DEM ENGLISCHEN THRON

Doch man bedenke die schwierige Situation, in der sich König Johann I. befand, als er den englischen Thron von seinem Bruder Richard Löwenherz übernahm. Die Schatzkammer der englischen Krone war zu dem Zeitpunkt in einem miserablen Zustand, denn die Kreuzzüge Richards und das Lösegeld, das für ihn während seines Dritten Kreuzzugs gezahlt werden musste, hatten viel Geld gekostet.

 

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Johann I. führte zahlreiche Kriege und ist als Kriegsführer bekannt – jedoch nicht als ein erfolgreicher. So führte er bis 1214 Krieg gegen Schottland und versuchte, seine Autorität über die Schotten zu festigen und den schottischen König Alexander II. zu unterwerfen. Der Krieg endete jedoch ohne klaren Sieger und führte zu keiner dauerhaften Unterwerfung Schottlands. Während der Kriege gegen Wales und Irland versuchte er, seine Kontrolle über diese Gebiete auszudehnen. Auch diese Kriege waren jedoch von begrenztem Erfolg geprägt und führten auch in diesem Fall nicht zu einer dauerhaften Unterwerfung der beiden Gebiete.

 

Darüber hinaus zog Johann I. auch gegen den französischen König Philipp II. in den Krieg, um seine französischen Ländereien zu verteidigen, die er, wie bereits erwähnt, nach und nach verlor. Diese Kriege waren Teil des langjährigen Konflikts zwischen England und Frankreich, der als Hundertjähriger Krieg bekannt ist. Denn der französische König Philipp II. versuchte, den Besitz der Plantagenets auf französischem Boden zurückzugewinnen. Die Situation in Frankreich war eine Konstellation, die von Anbeginn ungeheures Konfliktpotential bot. Johanns Ländereien in Frankreich gehörten zu den größten im Land. Obwohl Johann I. selbst König von England war, nannte sich wiederum auf französischem Territorium der französische König sein Lehnsherr. Dieser herrschte über ein vergleichsweise viel kleineres Territorium und sah sich selbst als rechtmäßiger Erbe der von den Plantagenets beherrschten Ländereien.

 

Johann I. jedenfalls war schon allein durch seine Kriegszüge in die verzweifelte Lage geraten, dringend Geld aufzutreiben, um die Schatzkammern wieder zu füllen. Und dabei bediente er sich nicht nur aller Mittel, die ihm zur Verfügung standen, sondern nutzte seine Position skrupellos zu seinem Vorteil aus.

 

Ein Punkt, bei dem Johann I. sich bereits wenige Jahre nach seiner Thronbesteigung mit dem Heiligen Vater in Rom überwarf, betraf die Benennung der Bischöfe und damit des Erzbischofs von Canterbury. Papst Innozenz III. ernannte 1207 Stephen Langton zum Erzbischof von Canterbury, was den Zorn Johanns I. hervorrief, der diese Ernennung als sein eigenes Recht und nicht das des Papstes in Rom sah. Eine Ansicht, die im Laufe der Geschichte in den verschiedensten Königshäusern auch anderer Länder auftauchte. Als Antwort auf die Ernennung konfiszierte er Kirchengüter und -vermögen, woraufhin letztendlich der Papst ein Interdikt über ganz England verhängte: In den englischen Kirchen durfte keine Messe mehr gelesen werden. Schließlich wurde Johann I. exkommuniziert, weshalb er 1213 einlenken und auch die von ihm beschlagnahmten Kirchengüter zurückgeben musste.

 

Ein besonders wichtiger Punkt war jedoch offenbar das sogenannte Schildgeld, das unter Heinrich II. eingeführt wurde. Dabei handelte es sich um einen Betrag, welchen die Barone ihrem König anstatt des bisher von ihnen zu leistenden persönlichen Kriegsdienstes zur Verfügung stellten. Die Kriegszüge des Königs fanden während der Zeit der Plantagenets und ihren Verwicklungen auf französischem Territorium meist außerhalb Englands statt, weshalb sich beide Seiten unter Heinrich II. auf das Schildgeld geeinigt hatten. Während sein Vater den zu zahlenden Betrag im Laufe seiner Herrschaftszeit gerade fünf Mal erhöht hatte, wurde er von Johann I. jedoch jährlich erhöht, was natürlich den Zorn seiner Vasallen hervorrief.

 

Doch damit nicht genug. Beispielsweise erhob Johann I. Steuern aller Art in überdurchschnittlicher Höhe, von der Erbschaftssteuer bis zu Steuern der Städte und Grafschaften. Auch nutzte er sein Vormundschaftsrecht über Witwen und Waisen seiner Barone, indem er, nach dem Tod des Ehemanns bzw. des Vaters Eheschließungen verzögerte, da bis zu diesem Zeitpunkt sämtliche Einnahmen aus dem Besitz des jeweils Verstorbenen in die Taschen des Königs statt in die der Witwen und Waisen flossen.   

 

Im Jahr 1214 nun, ein Jahr vor Unterzeichnung der Magna Carta, kehrte Johann I. nach einer weiteren verlorenen Schlacht nach England zurück und forderte seine Vasallen zur Zahlung eines weiteren Schildgeldes auf. Damit war das Maß jedoch endgültig voll. Die ersten Barone rebellierten und kündigten ihre Lehnstreue. Und so übergab Stephen Langton, eben jener Erzbischof von Canterbury, dem König eine Liste mit Forderungen der Barone, die der König jedoch ablehnte. Mehr und mehr Barone kündigten ihm daraufhin die Gefolgschaft, bis Johann I. schließlich keine andere Wahl mehr hatte und einlenken musste. Und so kam es zu jenem Augenblick auf dem Gelände bei Runnymede, wo König Johann I. das erste Dokument der englischen Geschichte, mit dem der König einen Teil seiner Macht abtrat, unterzeichnete – eben die Magna Carta.


DIE GESCHICHTE DER MAGNA CARTA - VON KÖNIG HEINRICH II. BIS KÖNIG JOHANN OHNELAND: WAS VERSTEHT MAN UNTER DER MAGNA CARTA UND WAS BEINHALTET SIE?

Die Magna Carta ist ein Teil, ja man sagt sogar eines der Dokumente, die die britische Verfassung begründeten. Denn: Die britische Verfassung ist nicht in einem einzigen Dokument niedergeschrieben, sondern viele einzelne Dokumente wie beispielsweise die Habeas Corpus Akte von 1679 oder die Bill of Rights von 1689 oder die verschiedenen Gesetze zum Wahlrecht aus dem 19. und 20. Jahrhundert sind alle Teil der Verfassung, die aus vielen einzelnen, über die Jahrhunderte entstandenen Dokumenten besteht. Und zu diesen gehört eben auch die Magna Carta als dem ältesten Dokument.

 

Seitdem sie durch König Johann I. 1215 gewährt und unterzeichnet, später wieder zurückgenommen und dann im Jahr 1225 durch Heinrich III. erneut bestätigt wurde, ist sie während ihrer gesamten Geschichte bis ins 17. Jahrhundert insgesamt 31 Mal bestätigt worden. Dabei wurde sie immer wieder der Öffentlichkeit vorgetragen und ist  dadurch bis heute tief im britischen Bewusstsein verankert. Doch was genau beinhaltet die Magna Carta, dass sie eine solch hohe Bedeutung für die Menschen hatte?

 

Die Magna Carta enthält eine ganze Reihe an Bestimmungen, welche die Macht von König Johann I. und damit aller künftigen Könige einschränkten und den Schutz der Rechte der Barone und freien Männer gewährleisteten. Ein Großteil der insgesamt 63 Artikel beinhaltete Bestimmungen, bei denen die Streitigkeiten zwischen Adel und König beigelegt werden sollten, beispielsweise den Disput um das Schildgeld. So durfte der König fortan nur mit Zustimmung der Barone Steuern festlegen und erheben. Diese Bestimmung war enorm wichtig für die spätere Entstehung des Parlaments, das ein Mitspracherecht bei Steuererhebungen der Krone hatte.

 

Für die kleinen Leute war besonders von Bedeutung, dass jeder Freie Mann nicht einfach ohne ein rechtsgültiges Urteil bestraft, verbannt oder geächtet werden durfte. Zumindest auf dem Papier war nun für jeden freien Mann festgeschrieben, dass Recht und Gerechtigkeit gewährt werden müsse. Dieses Recht sollte für alle freien Stände gleichermaßen einzufordern sein, was ein besonderes Novum der Magna Carta im Vergleich zu anderen Dokumenten darstellte.

 

Die Magna Carta hatte eine enorme Bedeutung für die Entwicklung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit - einerseits in England selbst, andererseits auch weit über die Landesgrenzen hinaus. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung galt sie nur für die Barone und für alle freien Männer im Land. Nichtdestotrotz wurde mit ihr schriftlich eine Basis geschaffen für die Idee, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und ihnen bestimmte Rechte zustehen. Insofern ist es ein Dokument von historischer Tragweite – weltweit.

 

Insgesamt wurden dreizehn Exemplare der Magna Carta angefertigt. Von diesen sind heute noch vier Exemplare erhalten. Das am besten erhaltene unter ihnen befindet sich in der Kathedrale von Salisbury. Neben diesem werden ein weiteres Exemplar im Schloss von Lincoln im Norden Englands und zwei weitere in der British Library in London aufbewahrt.

Die Geschichte der Magna Carta - Von König Heinrich II. bis König Johann Ohneland: Übersicht

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