Wenn im Dezember überall in Europa die Vorweihnachtszeit beginnt und sich bis Ende des Monats so langsam eine festliche Stimmung verbreitet, stellt man fest, dass die Weihnachtstraditionen doch von Land zu Land ein wenig unterschiedlich sind. Auch das englische Weihnachtsfest hat einiges zu bieten, das wir aus dem deutschsprachigen Raum so nicht kennen. Mich haben früher schon allein die Namen durcheinandergebracht. Christmas Day? Boxing Day? Und dann stolpert man über solche Dinge wie Christmas Pudding und Father Christmas. Deshalb: Lass uns mal einen genauen Blick auf die englischen Weihnachtstraditionen werfen.
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Fangen wir am besten erst einmal mit den verschiedenen Tagen zu Weihnachten an. Zunächst wäre da also der 24. Dezember. Dieser wird in England Christmas Eve genannt. Der Tag ist, so wie wir das auch kennen, noch kein Feiertag. Anders als bei uns dient der Tag aber in England generell noch eher den Vorbereitungen zum Weihnachtsfest. Es werden noch die letzten Geschenke verpackt, noch einmal bei der Dekoration in Haus oder Wohnung letzte Hand angelegt und das Weihnachtsessen vorbereitet. Abends geht es, für diejenigen, die Teil einer Kirchengemeinde sind, zu einem Gottesdienst in die Kirche. Und besonders wichtig vor allem für die Kinder: Die Christmas Stockings werden über dem Kamin aufgehängt.
Die Christmas Stockings sind die großen Weihnachtsstrümpfe, in die der Weihnachtsmann über Nacht kleine Geschenke packt, wenn er durch den Kamin rutscht und die Familie besucht. Der Weihnachtsmann wird in England nicht wie in Amerika Santa Claus, sondern Father Christmas genannt. Er reist über Nacht mit seinem Schlitten voller Geschenke von Haus zu Haus, um die Geschenke zu verteilen. Der Schlitten wird von Rentieren gezogen, die alle Namen haben, von denen aber Rudolph der wohl bekannteste ist.
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Damit wären wir auch schon beim 25. Dezember angelangt, dem Christmas Day, der ein Feiertag ist. Früh morgens zieht es natürlich die Kinder – und die Erwachsenen – zu den Christmas Stockings, um die kleinen Geschenke auszupacken. Meist erst nachmittags geht es dann daran, die großen Geschenke auszupacken, die unter dem Tannenbaum liegen. Am Christmas Day gehört es überall im Land zur Tradition, um 15 Uhr die Ansprache der Königin entweder im Fernsehen oder im Radio zu verfolgen. Im Anschluss daran gibt es das traditionelle Weihnachtsessen, das Christmas Dinner, zu dem wir dann gleich noch kommen.
Der 26. Dezember wird Boxing Day genannt. Er ist ebenfalls ein Feiertag, an dem jedoch meist die Geschäfte schon wieder geöffnet haben. Deshalb wird der Tag von den Briten oft genutzt, um Geschenkgutscheine und Weihnachtsgeld einzulösen. Viele Geschäfte locken auch schon mit Sonderangeboten, sodass in den großen Städten, allen voran natürlich London, ein recht großer Trubel auf den Straßen herrscht. Traditionsgemäß wird jedoch der Boxing Day eigentlich dazu genutzt, um Familie und Freunde zu besuchen. Außerdem bedanken sich viele Menschen an diesem Tag mit Karten und kleinen Aufmerksamkeiten bei ihren Mitmenschen, die ihnen das Leben einfacher machen, beispielsweise ihrem Briefträger.
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Das Christmas Dinner am Boxing Day besteht ganz traditionell aus einem großen Truthahn, manchmal auch einer Gans, mit Kartoffeln und Rosenkohl. Als Vorspeise gibt es manchmal Räucherlachs oder einen sogenannten Garnelen-Cocktail. Als Nachtisch gibt es einen Weihnachtspudding, Christmas Pudding genannt, der ein Plumpudding ist. In den Christmas Pudding werden winzig kleine Geschenke eingebacken, welche die Kinderherzen höher schlagen lassen. Der Plumpudding ist eine herzhafte Nachspeise, die aus Früchten, Brot und Fett zubereitet wird. Vor allem für die Süßigkeiten liebenden Kinder gibt es Früchtekuchen, der mit einer Glasur überzogen ist.
Beim Christmas Dinner liegen meist auch Christmas Crackers auf dem Tisch. Das sind Knallbonbons, die kleine lustige Dinge oder witzige Sprüche enthalten – und manchmal auch eine Papierkrone, die man dann aufsetzen muss.
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Bereits in der Vorweihnachtszeit beginnen die Engländer mit einer wichtigen Tradition, nämlich Weihnachtskarten an Familie und Freunde zu versenden. Dem wird ungeheuer viel Bedeutung beigemessen. Generell werden in England Grußkarten zu jedem möglichen Anlass versendet. Und Weihnachten gehört da eben dazu. Da schon sehr früh im Dezember damit begonnen wird, sind die Weihnachtskarten letztendlich sogar Teil der Weihnachtsdekoration. Sie werden entweder auf dem Kaminsims aufgestellt oder es wird im Wohnzimmer ein Bindfaden gespannt, auf dem die Grußkarten nebeneinander drapiert werden.
Wichtigster Bestandteil der Weihnachtsdekoration ist jedoch auch in England der Weihnachtsbaum.
Der Weihnachtsbaum ist eigentlich eine deutsche Tradition, die zu Zeiten Queen Victorias mit deren deutschem Ehemann Albert nach England kam, der den Weihnachtsbaum landesweit populär machte. Im Unterschied zum deutschen Weihnachtsbaum wird der Weihnachtsbaum in England oft schon zu Beginn der Vorweihnachtszeit geschmückt und bleibt dann den gesamten Dezember über festlich geschmückt und beleuchtet im Wohnzimmer stehen.
Davon abgesehen werden natürlich auch Gestecke gefertigt. Weihnachtskränze findet man in England ebenfalls. Sie werden in England jedoch anstatt sie mit Kerzen versehen auf den Tisch zu legen an der Wohnungs- bzw. der Haustür aufgehängt.
Und dann gibt es natürlich den berühmten „Mistletoe“. Dabei werden getrocknete Mistelzweige aufgehängt, meist über der Tür und wer darunter gemeinsam steht, der küsst sich. So will es der Brauch.
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Zu Weihnachten wird natürlich auch der Weihnachtskuchen, der Christmas Cake angeschnitten. Ähnlich wie der Weihnachtsstollen wird der Christmas Cake schon zeitig, eigentlich schon Ende Oktober gebacken. Er ist rund und mit einer weißen Glasur überzogen. Obenauf ist er stets verziert und mit dem Schriftzug „Merry Christmas“ versehen.
Außerdem findet man in der Vorweihnachtszeit oft Zuckerstangen, genannt Candy Cane. Diese beliebte Süßigkeit hat die Form eines gebogenen Spazierstocks und ist rot-weiß gestreift. Beliebt sind besonders in der Vorweihnachtszeit Früchtekuchen, die mit einer Zuckerglasur überzogen werden.
Generell wimmelt es in der Vorweihnachtszeit auch in England an Süßigkeiten und auch hier gehören Plätzchen und Kekse backen zur Tradition.
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In der Vorweihnachtszeit hört man des Öfteren kleine Gruppen von Laien-Sängern, bestehend aus Kindern und Erwachsenen, die singend, manchmal auch mit Lampions und Kerzen in der Hand, von Haus zu Haus ziehen. Für ihr Weihnachtssingen sammeln sie kleine Spenden für einen wohltätigen Zweck. Das sind die Christmas-Carol-Sänger, die ebenfalls fester Bestandteil der Vorweihnachtszeit in England sind. Auch in den Einkaufszonen findet man sie des Öfteren. Die Ursprünge der Christmas-Carol-Sänger gehen bis ins Mittelalter zurück. Damals zogen Musikanten durchs Land, die in der Weihnachtszeit dann allerorts Weihnachtslieder sangen.
Generell ist die Vorweihnachtszeit für gemeinnützige Organisationen eine Hochsaison, denn dann findet man die Freiwilligen, die für sie arbeiten, noch öfters als sonst in den Fußgängerzonen mit der Spendendose in der Hand um Spenden bittend. England ist diesbezüglich auch sonst ganz anders als Deutschland aufgestellt und gemeinnützige Organisationen wie Oxfam sind mit ihren Spendensammelaktionen in den Fußgängerzonen von Hauptstraßen und Einkaufszonen jahrein und jahraus zu finden. Die so gesammelten Spenden sind für sie ein wichtiges Mittel der finanziellen Unterstützung.
Doch nun zurück zu den englischen Weihnachtstraditionen. Die Vorweihnachtszeit ist auch in England eine Zeit, in der viele Firmen für ihre Mitarbeiter Weihnachtsfeiern veranstalten oder Kollegen finden sich am Freitagabend zusammen, um gemeinsam Essen zu gehen oder schlichtweg schon mal auf eine schöne Weihnachtszeit anzustoßen. Pubs, Bars und Restaurants haben sich darauf eingestellt und bieten oft auch Glühwein an, der in England „mulled wine“ genannt wird. Restaurants locken mit speziellen Weihnachtsmenüs und dabei an manchen Tagen sogar zu besonders günstigen Preisen, zu denen man aber eigentlich immer vorbestellen muss.
Gefeiert wird auch auf Weihnachtsmärkten, die seit geraumer Zeit ihren Weg nach England gefunden haben. Ganz ehrlich sind sie eigentlich kein Vergleich zu einem deutschen Weihnachtsmarkt und bestehen meist nur aus einigen wenigen Ständen oder in London auch schon mal einigen Reihen an Weihnachtsständen. Aber es ist trotzdem recht amüsant, die Stände entlang zu schlendern und mitten in England Schilder mit der deutschen Aufschrift „Bratwurst“ zu entdecken. Die Weihnachtsmärkte bleiben, ebenfalls anders als die deutschen Weihnachtsmärkte, oft bis zum Neujahr geöffnet, vor allem in London. Kein Wunder, denn zwischen Weihnachten und Neujahr ist schließlich immer mit einem Touristenstrom zu rechnen.
Falls du diesen Beitrag in der Vorweihnachtszeit lesen solltest, so bleibt nun an dieser Stelle noch "Eine fröhliche Adventszeit" zu wünschen und zu Weihnachten: "Merry Christmas".
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