Wohl kein anderer König Großbritanniens ist über die Landesgrenzen dermaßen bekannt wie Heinrich VIII. Woran sich die meisten sofort erinnern, wenn sein Name fällt, sind seine sechs Ehefrauen, von denen er sich nicht zimperlich wieder trennte - sei es durch Scheidung oder gar das Abschieben in die Hände der Henker von Londons berüchtigtem Tower. Politisch lebte er in einer Zeit, in der sich bereits so einiges im Umsturz befand und der Thron, auf dem er saß, war dermaßen wackelig, dass Heinrich vor allem in späteren Lebensjahren überall Verschwörungen und Versuche, ihn von eben diesem Thron zu stürzen, vermutete. Er übernahm kein einfaches Amt, als sein Vater, Heinrich VII., der erste König der Tudor-Dynastie, im Jahre 1509 verstarb.
Copyright: Pixabay / RonPorter
Eigentlich war Heinrich VIII. gar nicht als Thronfolger vorgesehen, denn er war nicht der älteste, sondern der zweitälteste Sohn aus der Ehe seines Vaters Heinrichs VII. mit Elizabeth von York. Durch seine Hochzeit mit ihr hatte Heinrich VII. seinen Anspruch auf den englischen Thron letztendlich besiegeln können. Mit ihm fanden die Rosenkriege zwischen den Häusern Lancaster und York ein Ende. Doch der Thron der Tudors stand durchaus unsicher in Londons Westminster – eine Tatsache, die auf die Herrscherzeit aller Tudor-Könige und Königinnen einen langen Schatten vorauswarf.
Heinrich VIII. wurde im Alter von zehn Jahren zum Thronfolger, nachdem sein älterer Bruder Arthur plötzlich unverhofft gestorben war. Arthur hatte vor seinem Tod die spanische Prinzessin Katharina von Aragón geheiratet, die Tochter des spanischen Königspaares Ferdinand und Isabella.
Nach damaligem Recht hätte mit dem Ableben des Kronprinzen Arthur das englische Königshaus die Mitgift von Katharina von Aragón an deren Elternhaus zurückzahlen müssen. Dem kam Heinrich VII. zuvor, indem er seine Schwiegertochter mit seinem zweitältesten Sohn, eben dem späteren Heinrich VIII., verlobte. Trotz dieser Umstände war es wohl eine Liebeshochzeit und beide sollen eine glückliche Ehe geführt haben. Doch ein Problem hatte diese Ehe, denn der von Heinrich erhoffte männliche Thronfolger, der den Fortbestand des Hauses Tudor sichern sollte, blieb aus. Mehrere Fehlgeburten und Totgeburten und der frühe Tod sowohl einer Tochter als auch eines Sohnes ließen die Hoffnung schwinden. Eine Tochter, die spätere Königin Maria I., überlebte und ging aus der Ehe der beiden hervor. Wie ihre Mutter war auch Maria katholischen Glaubens.
Doch Heinrich hatte sich nach fast zwanzig Jahren Ehe inzwischen in eine von Katharinas Hofdamen, Anne Boleyn, verliebt und erhoffte sich von ihr einen Thronfolger. Anne Boleyn war, anders als ihre Vorgängerin, protestantischen Glaubens. Im Europa jener Zeit hatte die Reformation die christliche Glaubenswelt erschüttert. Der protestantische Glaube breitete sich in Europa aus und es folgten Konflikte und Kriege. Doch die protestantische Konfession hatte einen für Heinrich entscheidenden Vorteil: Sie erlaubte es, sich scheiden zu lassen. Und Heinrich, der - gebildet sowohl in weltlichen Dingen wie in der Theologie - immerhin vor noch nicht allzu langer Zeit eine Streitschrift für den katholischen Glauben und gegen die Thesen Martin Luthers verfasst hatte, wollte diesen Vorteil für sich nutzen.
Sein jahrelanger engster Berater, Kardinal Thomas Wolsey, hatte vergeblich beim Papst in Rom auf eine Annullierung der Ehe Heinrichs mit Katarina von Aragón hingewirkt. Als Lordkanzler war er zum einflussreichsten und gleichzeitig bedrohlichsten Mann im Land aufgestiegen, dem seine Position immensen Reichtum eingebracht hatte. Dieser Reichtum und die Macht Wolseys wurden Heinrich jedoch zunehmend ein Dorn im Auge und die Ablehnung seines Scheidungsansinnens durch den Papst legte Heinrich Wolsey zur Last und beschuldigte ihn letztendlich des Hochverrats.
Heinrich VIII. jedenfalls sagte sich von Rom los und nutzte dazu das englische Parlament, mit dessen Hilfe er per Parlamentsbeschluss 1531 die anglikanische Staatskirche gründete, zu deren Oberhaupt er wurde und die fortan eine protestantische Kirche sein sollte. Dieser Schritt sollte für den Adel und auch das Bürgertum Vorteile bringen, und, für Heinrich entscheidend, konnte er sich nun scheiden lassen und Anne Boleyn ehelichen.
Man stelle sich einmal vor, was die Entscheidung von Heinrich für seine Untertanen bedeutete. Ihr König sagt sich vom römisch-katholischen Glauben los, doch für all diejenigen unter ihnen, die noch gläubige Katholiken waren, zu diesem Zeitpunkt schlicht und ergreifend nun einmal die Mehrheit der Bevölkerung, bedeutete Heinrichs Schritt Seelenqualen. Und so stürzte Heinrich VIII. mit seinem Entschluss sein Land in tiefe Unsicherheit. Unter seinem neuen Berater Thomas Cromwell setzte er alles daran, im Land den Bruch mit der römisch-katholischen Kirche umzusetzen und den Untertanen den protestantischen Glauben aufzuzwingen. Denn unter Heinrichs Untertanen gab es massiven Widerstand. Heinrichs despotisches Wesen jedoch duldete keinen Widerstand. Anderer Meinung zu sein, bedeutete Landesverrat und wurde von ihm mit aller Härte bestraft. Aufstände schlug er brutal nieder. Ein Tyrann wie er im Buche steht!
Der Bruch mit Rom hatte für Heinrich einen hervorragenden Nebeneffekt: Da er nun selbst Oberhaupt der Kirche war, gehörte ihm auch der Kirchenbesitz im Land. Mit straffer Hand ging er landesweit an die Säkularisierung der Klöster und veräußerte Kirchenbesitz. Insgesamt wurden in jener Zeit 563 Klöster geschlossen. Dadurch füllte er automatisch seine notorisch leeren Staatskasse. Einerseits bedeutete es eine Zunahme an Bedeutung, und damit natürlich auch an Macht, des Adels und des Bürgertums, das in die Fußstapfen der ehemaligen Eigentümer trat und den einstigen Kirchenbesitz nun erwerben konnte. Andererseits bedeutete es für die Klöster vielerorts das Ende und heute sind von vielen der ehemals katholischen Klöster nur noch Ruinen übrig geblieben. Für die Zeitgenossen Heinrichs war jedoch die Tatsache weitaus schlimmer, dass die Klöster über Jahrhunderte hinweg als Krankenhäuser und als wohltätige Einrichtungen für die Gesellschaft gedient hatten und dies mit der Schließung der Klöster nun wegfiel. Darüber hinaus wurden quasi über Nacht zwanzigtausend Mönche und Nonnen obdachlos.
Heinrich VIII. selbst machte so ein Vermögen und zerstörte dabei die katholische Kirche in England fast vollständig. Er selbst praktizierte jedoch weiterhin privat seinen bisherigen Glauben und besuchte jeden Tag die Messe. Seinen Untertanen jedoch gewährte er dies nicht, denn er ließ verfolgen, wer dem bisherigen Glauben nicht abschwor. Allein diese Tatsache führte dazu, dass auch seine nahen und langjährigen Weggefährten, die Menschen um ihn herum, verwirrt waren.
Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen gegen den König waren. Aber Heinrich VIII. lies weiterhin keinen Widerstand zu und zerschlug jeden Widerstand auf brutalste Art und Weise. Mit dem vom Parlament im Jahre 1534 verabschiedeten Treason Act wurden eindeutige Zeichen gesetzt: Wer den König, die Königinnen oder ihre Erben verunglimpfte, in Wort oder Schrift als Tyrannen oder Schismatiker bezeichnete, wurde bestraft. Der König bezichtigte also des Hochverrats, wer nicht mit ihm einverstanden war. Und so wurde Heinrich im Land zu einem enorm unbeliebten König. Selbst vor seinen engsten Freunden machte er keinen Halt, denn auch Thomas Morus, einer seiner ältesten Freunde aus seiner Kindheit und strenggläubiger Katholik, wurde in den Tower geworfen und schließlich wegen Hochverrat zum Tode verurteilt.
Inzwischen geht man aber davon aus, dass Heinrichs psychischer Zustand durch einen Reitunfall verschlimmert wurde, bei dem er sich schwer verletzte und für mehrere Stunden das Bewusstsein verlor, und dies seine Paranoia verschlimmerte. Heute sehen die Forscher einen direkten Zusammenhang zwischen dem physischen und dem psychischen Gesundheitszustand. Er schien tatsächlich zunehmend verrückt und paranoid zu werden. Für Thomas Cromwell, Erzfeind von Anne Boleyn, nun ein idealer Zustand. Er stellte heimlich Nachforschungen über sie an und präsentierte angebliches Material, dass sie Heinrich mit fünf Männern betrogen hätte. Er beschuldigte sie sogar, einen Mordanschlag auf Heinrich zu planen. Bei Heinrich, der inzwischen seiner zweiten Ehefrau angesichts des noch immer fehlenden Thronfolgers überdrüssig geworden war, fielen diese Anschuldigungen auf offene Ohren. Und so endete Anne Boleyn im Tower, wurde wegen Hochverrat angeklagt und zum Tode verurteilt.
Nur zehn Tage nach der Hinrichtung heiratete Heinrich seine dritte Ehefrau: Jane Seymour. Diese Ehe brachte den so lange ersehnten Thronfolger, den späteren Eduard VI. Doch Jane Seymour selbst starb zwei Wochen nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Kindbett.
Heinrich selbst war zu diesem Zeitpunkt aber auch ein misstrauischer, alter, übergewichtiger Mann geworden, der an schmerzhaften Geschwüren an seinen Beinen litt und einen extrem schlechten Gesundheitszustand hatte. Thomas Cromwell suchte trotz allem für Heinrich auf dessen Wunsch eine neue Frau. Er arrangierte die Eheschließung mit Anna von Kleve. Heinrich VIII. hatte sie vor der Eheschließung noch nie gesehen und die Ehe scheiterte nach nur wenigen Tagen. Angeblich nie vollzogen, wurde Heinrichs Ehe mit Anne von Kleve annulliert und Heinrich einigte sich mit ihr. Sie verblieb im Land, erhielt Hever Castle und eine jährliche finanzielle Zuwendung. Aber Heinrich VIII. machte für die fehlgeschlagene Ehe Thomas Cromwell verantwortlich. Durch eine Intrige von Thomas Howard, dem 3. Duke of Norfolk, endete auch Thomas Cromwell im Tower.
Doch nun ging die Suche nach einer Ehefrau für Heinrich erneut weiter. Und so empfahl der Duke of Norfolk seine Nichte Catherine Howard, eine Cousine von Anne Boleyn. Heinrich verliebte sich in sie. Aber da er inzwischen kein junger Mann mehr war, suchte sie sich wohl einen Liebhaber – so zumindest lautete der offizielle Vorwurf ihrer Gegner. Denn die Ehe dauerte nur 15 Monate. Auch Ehefrau Nummer fünf wurde wegen Ehebruch angeklagt und im Tower enthauptet, so wie einst Anne Boleyn.
Ehefrau Nummer sechs wurde dann schließlich Catherine Parr, die Heinrich VIII. überlebte und die kurz nach seinem Tod selbst erneut heiratete.
Nach Heinrichs Tod folgte ihm für kurze Zeit sein neunjähriger Sohn als Eduard VI. auf den Thon. Als dieser jedoch sechs Jahre später starb, regierte, nach einem kurzen Intermezzo durch Jane Grey, zunächst Maria I., später auch Bloody Mary genannt und Tochter aus Heinrichs erster Ehe mit Katharina von Aragón, das Land. Vor ihrem Tod bestimmte sie ihre Halbschwester, Elizabeth I., aus Heinrichs Ehe mit Anne Boleyn, zu ihrer Nachfolgerin. Elizabeth I. folgte ihr auf den Thron und gab damit als erste Königin einem ganzen Zeitalter ihren Namen: dem elisabethanischen Zeitalter.
Möchtest du mehr über die Tudors erfahren? Bei den England Notes gibt es einen separaten Beitrag zur Geschichte der Dynastie der Tudors und einen weiteren Beitrag über Elizabeth I.
Hast du Anmerkungen, Kommentare oder Fragen? Dann hinterlass hier gern deine Nachricht: